Es ist Ende August 1999. Nicht so warm wie man es für die
Jahreszeit erwarten würde. Ich liege eingekuschelt in meinem Bett zwischen
Stillkissen und Decken, neben mir mein 6 Wochen alter Sohn Tom. Ein süßes Baby –
aber nicht ganz einfach im Handling. Viel und oft Hunger, viel und oft
Bauchweh. Ein Baby mit hohem Kuschelbedürfnis. Niemals alleine irgendwo liegen.
Niemals länger als 2 Stunden am Stück schlafen. Nach jedem Essen spucken.
Weinen. Eine sehr schnelle Geburt liegt hinter uns, eine stressige
Schwangerschaft mit Examensstress, großer Schwester und wenig Ruhe. Bei der
Geburt war der pH Wert so, dass die Hebamme ein bisschen Angst vor der Frühbesprechung
hatte. Tom kam mit der Nase nach oben als Sterngucker zur Welt. Und ihm ging
dabei sicherlich ab und zu die Puste aus. Schon als er noch zu 2/3 in mir
steckt und nur Kopf rausguckt, schreit er als wolle man ihm ans Leben und
bekommt einen zornesroten Kopf. „Oha, das bleibt so!“ weiß die Hebamme zu berichten.
Na bravo. Als ich so wunderbar am Eindämmern
bin und noch ein wenig über die Geburt sinniere, merke ich wie der kleine
Brocken neben mir schon wieder anfängt, herumzukruscheln. Ja, ich weiss, ich
bin mal wieder zu weit weg. Ich drücke das kleine warme Bündel fest an mich.
Manchmal hilft das. Kurzfristig. Mit geschlossenen Augen beginnt er zu
schmatzen. Hunger. Möglicherweise. Zum gefühlten 50. Mal heute. Ich streife
meinen BH hoch, wir liegen Bauch an Bauch und Tom saugt sofort an. Ich merke wie
sich sein kleiner Körper entspannt. Seine Händchen öffnen sich und er wird ganz
ruhig. Nur sein Unterkiefer bewegt sich rhythmisch und denkt gar nicht daran
aufzuhören. Ich weiß genau was passiert, wenn ich ihm jetzt die Brust wegnehme.
Es ist 0.02 h. Ich werd den Teufel tun und noch irgendwen wickeln jetzt. Soll
einschlafen und gut. Ich schließe die Augen. Tom hat sie gar nicht erst
aufgemacht. Ich döse ein. 1.34 h – schrilles Schreien- aha … Bauchweh. Wie
immer. Ich liege nach wie vor mit ausgepackter Brust auf der Seite, Tom zieht
seine Beinchen an und ist bereits außer sich.
Das wird nichts hier im Bett, soviel hab ich schon kapiert. Auch stillen
wird das Übel jetzt nicht beseitigen. Ich schnappe ihn und wir wackeln ab zum
Wickeltisch. Nun ja, viel Pipi, ein feuchter Pups, nichts Wildes. So lange er
da liegt und ich ihm die Beinchen gegen den Bauch drücke und kreisförmig
massiere ist alles gut. Leider bin ich zu müde, um das noch stundenlang zu
exerzieren, deshalb zieh ich ihm nach 20 Minuten ne Windel an und wickel einen
Pucksack drum. Tom ist auch müde, hängt mir auf der Schulter wie ein nasser
Sack. Wir gehen mal auf den Balkon. Frische Luft schnappen. Ich genieße die
ruhige Kühle und hoffe, dass Tom das auch tut. Wir legen uns wieder ins Bett.
Tom auf meinem Bauch. So schlafen wir ein. 3.25 h – Tom hat Hunger. Ich
auch. Ein weiteres Mal diese Nacht
schnappe ich das jammernde Bündel und wir stehen auf. Wohnzimmer. Fernseher an.
Schokolade, Apfelschorle und Cashew-Kerne in Reichweite stellen. Kind an die
Brust. Zappen. Eine Doku über das Polarlicht -
na schön. Nüsse essen, Schorle trinken, dazwischen ein Stück Schoki,
bisschen Bildung, ganz nett eigentlich. Die Tageszeit passt nicht so ganz, aber
was soll man machen? Um 4.10 h scheint das Bündel bis zum Hals abgefüllt zu
sein. Die sphärischen Interferenzerscheinungen im TV können mich jetzt auch
nicht mehr davon abhalten, mich und Tom vorsichtig zur Seite zu kippen und
einfach einzuschlafen. Ich packe noch ein großes Sofakissen in seinen Rücken und
bin sofort weg. 5.45 h – draußen ist es hell. Tom beginnt zu weinen und als ich
ihn hochnehme, spuckt er schwallartig eine ziemliche Portion Milch auf mein
T-Shirt und seinen Pucksack. Danke.
Guten Morgen Tom. Hallo Tag. Aufstehen. Kind wickeln, anziehen. Mir ein
frisches T-Shirt holen, Kaffee. Sofa. Stillen. Spucken. Weinen. Schokolade.
Duschen – Tom weint –ich lege ihn einfach auf die Fussmatte vor der Badewanne,
ich bin auch nur ein Mensch und ich will morgens auf Klo und unter die Dusche
und dieses Recht nehme ich mit zum Kuckuck auch heraus. Das monotone Rauschen
des Wassers scheint ihm zu gefallen und
er beruhigt sich – gucke mal da. Ich komme aus der Dusche und er grinst mich
an. Na Tom J geht’s
wieder?! Ich merke, das wird trotz
dieser Nacht ein toller Tag, schnappe mir das Tragetuch, stecke Tom
vorschriftsmäßig rein, greife mir Schlüssel und Kleingeld und wir starten durch
zu Fuß zum Bäcker. Als wir wieder zu Hause ankommen, schläft Tom so tief und
fest, dass ich ihn sogar in seine Wiege legen kann, ohne dass er aufwacht. Noch
n Kaffee bitte. Auf dem Balkon. Und zwei leckere Brötchen. Das Leben ist schön!
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